Batool Alhourani, Hospitantin am Kleist-Museum, Frankfurt Oder, 2021

Jordanierin sucht inFrankfurt die Gleich-gesinnten von Kleist

Batool Alhourani ist eine von elf Frauen*, die 2021 an kulturweit-Incoming teilgenommen haben. Dieser Bericht von Jacqueline Westermann ist im November 2021 in der Märkischen Oderzeitung erschienen.

 

Batool Alhourani wurde durch das arabische Sprichwort, dass Gott 40 gleichaussehende Menschen schuf, inspiriert. Eine Schau erzählt davon.

 

„Ich stand auf dem letzten gültigen Punkt auf der Brücke. Jetzt weiß ich, dass ich den letzten Zentimeter dessen suchte, was von meiner Heimat noch übrig war...“ – mit diesen Worten beginnt das Gedicht „Du ab heute“ von Tayseer Sboul. Die Worte stehen auf Deutsch und Arabisch in roter Farbe an einer Wand im Kleist-Museum in Frankfurt. Geschrieben hat sie der jordanische Schriftsteller, nachdem Israel sein Heimatland im Sechstagekrieg besiegte und er auf einer Brücke stehend auf den verlorenen Teil Jordaniens blickte.

Diese Brücke ist es auch, die Batool Alhourani als eine Gemeinsamkeit zwischen Heinrich von Kleist und Tayseer Sboul sieht, immerhin gebe es in Kleists Heimatstadt auch eine (Stadt-)Brücke. Die Jordanierin hat die aktuell laufende Pop-up-Ausstellung „Einer von Vierzig“ im Kleist-Museum in Frankfurt konzipiert. „Das Projekt ist inspiriert durch ein arabisches Sprichwort, das besagt, Gott hat 40 Menschen geschaffen, die gleich aussehen“, erklärt Alhourani.

Ihre der Ausstellung zugrundeliegende Idee: die Gemeinsamkeiten der Menschen erleuchten und 39 zu Kleist ähnliche Personen finden. „Die erste sollte aus Jordanien sein, weil ich selber da herkomme“, erzählt die 24-Jährige lachend am Telefon. Schlussendlich habe ein Freund sie auf Tayseer Sboul aufmerksam gemacht. „Ich habe mich eingelesen und die Gemeinsamkeiten zum Leben und der Arbeit von Kleist gesehen“, erinnert sie sich.

Kleist und Sboul beschäftigten sich mit dem Thema Glück, den politischen Verhältnissen ihrer Zeit, gesellschaftlichen Diskursen und dem Krieg in ihren Werken und Gedichten. Sboul schreibt melancholisch und traurig, über seine Heimat und seine Gefühlswelt. Kleist brach mit literarischen Traditionen, ebenso hielt Sboul sich nicht an „die Struktur traditioneller arabischer Romane, sondern verfolgte einen postmodernen Ansatz“, wie es auf einer der Ausstellungstafeln heißt.

Den selbstgewählten Tod, den beide ebenfalls gemeinsam haben, erwähnt Alhourani gar nicht, anders als Marie Majer vom Marketing des Kleist-Museums. Sie will gerade einen Namen auf die Tafel schreiben, auf der Besucherinnen und Besucher der Ausstellung ihre Vermutungen zu den 38 weiteren Gleichgesinnten Kleists aufschreiben können. Majer wählt Virginia Woolf, die gesellschaftskritisch über die Realität des Lebens und wandelnde Identitäten schrieb, unter Depressionen litt und sich am Ende wie Kleist und Sboul das Leben nahm.

Batool Alhourani kommt aus Jordanien, studierte Anglistik und Germanistik und verbrachte jüngst drei Monate als Hospitantin im Frankfurter Kleist-Museum im Rahmen von kulturweit, dem Freiwilligenprogramm der Deutschen UNESCO-Kommission.

„Wir nehmen schon seit einigen Jahren an kulturweit teil“, erklärt Magdalena Hülscher, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kleist-Museum und sogenannte 360°-Agentin im Programm „360°-Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft“ der Kulturstiftung des Bundes. Letztere fördert die Pop-up-Ausstellung von Alhourani im Kleist-Museum.

Hülscher, die Hospitantinnen wie Alhourani betreut, ist sehr zufrieden mit der Umsetzung der Ausstellung. „Wichtig war es uns natürlich, dass die Ausstellung irgendwas mit Kleist zu tun hat“, sagt Hülscher. „Diese Brücke hat Frau Alhourani sehr kreativ geschlagen.“ Vor allem die Zweisprachigkeit an den Wänden gefalle Hülscher sehr gut. „Es ist besonders, dass die arabische Schrift zu sehen ist und wir eine mehrsprachige Ausstellung haben.“ Zudem sei die Schau ein schöner Türöffner für das Kleist-Museum, so Hülscher. Das Konzept soll weitergeführt werden, die Gleichgesinnten Kleists in Ausstellungen vorgestellt werden.

 

Unvergessliche Zeit

Mittlerweile ist Batool Alhourani wieder in Jordanien. Ihre Zeit in Frankfurt, von dem sie vor ihrer Zeit in der Stadt noch nie gehört hatte, wird sie nicht vergessen. „Das war ein neues Erlebnis, eine sehr interessante Stadt. Gerade mit der Grenzlage“, fasst sie zusammen. Und sie hat während ihrer Zeit im Kleist-Museum erkannt, dass sie langfristig in diesem Bereich tätig sein will, statt weiter als Lehrerin zu arbeiten. Erst einmal ist sie aber gespannt, welche Gleichgesinnten noch entdeckt werden. Sie klingt zumindest hocherfreut am Telefon, als sie hört, dass sich die Vorschläge auf der Tafel mehren.

  • Ein Foto von einem jungen Menschen vor einem Chartboard.
  • Ein Foto von einer Hospitantin aus Jordanien im Kleist Museum Frankfurt.