2012

Goethe-Institut
Litauen
 

Grundstimmung: grün!

Sabrina war für zwölf Monate am Goethe-Institut in Vilnius in Litauen.

„Und was machst du jetzt nach dem Abi?“ „Ich geh für ein Jahr nach Vilnius. Das ist die Hauptstadt von Litauen.“ „Ich dachte immer Riga sei die Hauptstadt …“ „Naja fast, Riga ist die Hauptstadt von Lettland.“ „Aha, und warum hast du dir nicht ein cooles Land ausgesucht?“ Solche Gespräche, zugegebenermaßen nicht immer so negativ, aber meist doch von Skepsis geprägt, habe ich zuhauf geführt, bevor ich im Februar 2012 für ein Jahr nach Litauen gegangen bin. Nur die wenigsten wissen irgendetwas über das Land, mich vor meinem Aufenthalt eingeschlossen. Doch im Nachhinein kann ich sagen: Ich habe mir ein ziemlich cooles Land ausgesucht! 

Erzähl doch mal was aus Litauen

Sowas habe ich öfter nach meiner Rückkehr nach Deutschland gehört. Erstmal freut man sich natürlich über das Interesse seiner Freunde, doch gleichzeitig steht man vor dem Problem, dass im Kopf Erinnerungsfluten hin- und hersprudeln. Natürlich hat man viel erlebt und jeden Tag gibt es Dinge, die einen erinnern an die Zeit im Ausland. Doch es gab kein Ereignis, welches ich als das einprägsamste meines ganzen Jahres nennen könnte. Denn es gab so viele Momente oder auch Abschnitte, die ich ewig in Erinnerung behalten werde, sowohl positive als auch negative. Dazu gehört für mich sicher das Leben im Studentenwohnheim, wo ich wie nirgendwo anders gespürt habe, dass Litauen mal zur Sowjetunion gehört hat, denn genau so stelle ich mir das vor – Kontrolle über jeden Schritt, den man macht. Dazu gehören außerdem die Fahrradkarawane im Baltikum und das Zwischenseminar in St. Petersburg, zwei unvergessliche Reisen mit neuen Ländern, Leuten und Erfahrungen.

Es sind kleine Situationen, zum Beispiel in Bezug auf die Fortschritte im Sprachenlernen, die sich irgendwie einprägen: wenn man nach monatelanger Quälerei mit der Sprache in einen Laden geht, mit der Verkäuferin spricht und für eine Litauerin gehalten wird. Oder der Zeitpunkt, wenn man merkt, dass Dinge, die einem am Anfang noch aufgefallen sind, einen plötzlich nicht mehr wundern. Eins kann ich jedoch sagen: Das Einprägsamste und wahrscheinlich auch Nachhaltigste, was ich in Erinnerung behalte, sind die Menschen, die ich während dieses Jahres kennengelernt habe. Manche davon werde ich nie wiedersehen und trotzdem waren die Begegnungen inspirierend und unvergesslich. Anderen werde ich in meinem Leben sicher noch öfter begegnen.

Ich habe gelernt...

... dass manche Sachen total anders sind als in Deutschland, andere wiederum unterscheiden sich überhaupt nicht. Ich habe einfach festgestellt, dass es überall Dinge gibt, die eben schlechter oder besser laufen als woanders. Außerdem hat sich wohl mein Deutschlandbild geändert, nachdem ich so viele verschiedene Eindrücke davon gewonnen habe, wie Leute, die nicht aus Deutschland kommen, das Land sehen. Eine interessante Erfahrung, da ich mich damit vorher nicht wirklich beschäftigt hatte.

In meiner Einsatzstelle habe ich viele Dinge gelernt, vom Planen und Organisieren verschiedener Veranstaltungen im Goethe-Institut bis hin zum Unterrichten von Schülern, die Deutsch lernen. Außerdem fand ich es total interessant, Einblick in eine so große Institution wie das Goethe-Institut mit seiner Arbeit weltweit, seiner Struktur und Arbeitsweise zu bekommen. Auch wenn mir die Arbeit noch so viel Spaß gemacht hat, habe ich festgestellt, dass ich weder am Goethe-Institut noch als Lehrerin arbeiten will, aber mich trotzdem im Bereich Bildung und Kultur beruflich orientieren möchte.

Und natürlich denke ich, mich persönlich weiterentwickelt zu haben. Selbstständig den Alltag bestreiten, Behördengänge, Sprachbarrieren, alles Dinge, die sicher nicht immer einfach waren, aber dazu beigetragen haben, dass ich jetzt sagen kann: Ich komme allein zurecht und würde das auch in einem anderen Land wieder tun können.

 

Sabrina Busse mit einer Freundin auf einer Brücke in Vilnius  Nächtliches Vilnius Blick in das Schaufenster einer Bäckerei in Vilnius

Was bleibt

Zusammenfassend war das ganze Jahr ein Jahr mit fröhlichen und traurigen Momenten, mit Lachen und Tränen, mit freudiger Überraschung und Entsetzen, mit Heimatgefühl und Zerrissenheit, mit engen Freundschaften und Distanz, mit interessanten Gesprächen und verschwendeter Zeit, mit Kulturschock und Gewohnheit, mit Zufriedenheit und innerer Unruhe, mit Willkommen und Abschied, mit 'Scheißtagen' und solchen, an denen man die ganze Welt umarmen könnte – eben ein Jahr mit Hochs und Tiefs. Doch erinnern werde ich mich an die guten Zeiten. All das ist für mich ein Gewinn, es sind Erfahrungen, die mir niemand mehr nehmen kann.

Und so geht es weiter

Von meinem Freiwilligendienst nach dem Abi habe ich mir auch erhofft, ein bisschen Klarheit in meine berufliche Zukunft zu bringen, da es mir vorher sehr schwergefallen ist, mich auf eine Richtung festzulegen. Ob ich das Richtige mache, stelle ich heute immer noch ab und zu in Frage, aber dennoch hat mir das Jahr eine gute Orientierung gegeben, besonders in dem, was ich nicht machen will. Das hört sich erstmal komisch an, kann aber wirklich hilfreich sein.

Seit dem Sommersemester studiere ich jetzt also Soziale Arbeit in Frankfurt, einen Monat nach meiner Rückkehr nach Deutschland. Es ist erschreckend, wie schnell einen der Alltag wieder einholt. Und dennoch plane ich nach zwei Wochen Studium bereits mein Auslandssemester, zumindest im Kopf. Denn eines ist sicher: kulturweit hat mir Lust gemacht, Lust die Welt zu sehen, Lust auf mehr!